Freitag, 12. Februar 2016

REZENSION "Engelsstaub" von Anne-Marie Jungwirth

Leseprobe
Jade Brooks ist ein Nerd. Mit Mädchenkram, Partys und schicken Klamotten hat sie nicht viel am Hut, ihr Herz gehört der Wissenschaft und ihrem verstorbenen Vater. Zumindest bis sie auf den vermeintlichen Bad Boy und Rockmusiker Caspar Sinclair trifft. Doch kurz bevor es zwischen dem ungleichen Paar ernsthaft zu knistern beginnt, wird Jades Leben durch einen Autounfall ein jähes Ende gesetzt. Als sie sich kurze Zeit später als Engel im Himmel wiederfindet, prasseln die Ereignisse auf sie nieder: Ausgerechnet sie soll im Engelsheer der Matchmaker als Liebesengel dienen, von ihrem Vater fehlt jede Spur und der junge Mann, den sie verkuppeln soll, ist kein Geringerer als Caspar Sinclair...

Seitenanzahl: 287
Preis: 3,99 EUR
ISBN: 
978-3-646-60145-9
Verlag: Carlsen Impress


Cover:

Farbgestaltung und Schriftzug finde ich sehr gut gewählt. Ebenso die "Partikel", die in meinen Augen den Engelsstaub verkörpern sollen. Im Hinblick auf die Geschichte, im speziellen auf Jade, kann ich dem Engel auf dem Cover jedoch keinerlei Ähnlichkeiten abgewinnen. Dem Blick fehlt es an Ausdrucksstärke und die Haltung wirkt eher eingeschüchtert und zurück haltend. Jade hingegen ist das genaue Gegenteil. 


Meinung:


Jade hat ihre Leidenschaft zur Wissenschaft von ihrem Vater. Mit seiner Faszination hat er versucht herauszufinden, was die Welt im Innersten Zusammenhält. Doch was die Ergebnisse eines kleinen und für manche im Himmel eher unbedeutenden Menschen bewirken können, hätte wohl keiner Gedacht, denn sie haben im wahrsten Sinne des Wortes, den Himmel auf den Kopf gestellt.


Mit dem Tod ihres Vaters, hat Jade auch noch diejenige Bezugsperson verloren, die ihren Wissensdrang vollends unterstützt hat. Ihre Mutter hingegen legt ihr Steine in den Weg, erhofft sie sich für ihre Tochter einen ganz anderen Werdegang. Um ihre Theorie in einem Wettbewerb zu belegen, hat Jade jedoch einen ganz entscheidenden Fehler begangen. Sie hat einen Versuchsaufbau gewählt, der ihr ihr gewünschtes Ergebnis bestätigen soll und nicht geforscht und daraus Ergebnisse abgeleitet. 

Caspar grinste und stieg ein. >>Geschmeidig wie eine Katze.<< >>Vorsicht, sonst fährt die Katze ihre Krallen aus.<<

Den aufgeweckten und pfiffigen Teenager im Himmel zu erleben war ein ganz besonderes Schauspiel, denn sie kann ihre rationale Seite einfach nicht ablegen, was sie oftmals in große Schwierigkeiten bringt, aber sie darüber hinaus auch zu einer Art Musterschülerin erwachsen lässt. Um den Problemen zu entgehen und ihrem Wunsch Caspar trotz ihrer unüberbrückbaren Distanz, nahe sein zu können, hat Jade gelernt, dass Anpassung manchmal die beste Tarnung ist. So vernünftig sie auch ist, ist auch sie nicht vor der Liebe gefeit, die einen zu unbedachten Handlungen treibt. Ebenso wie auf der Erde, gibt es auch im Himmel Dinge, die als "Straftat" gelten. Hier war ich ein wenig enttäuscht, denn Jade hat sich auf einen Handel eingelassen, dessen Gegenleistung ihrerseits auf einem unbeschriebenen Blatt steht. Wie gefährlich das ist, wurde von einem himmlischen Wesen angedeutet, hat sich aber bis zum Ende hin nicht aufgelöst. Ein Spannungsaufbau der viel erwarten ließ und hinterher gar nicht mehr berücksichtigt wurde. 

Vernünftig, gradlinig, strukturiert - sind Worte die Jade beschreiben. Caspar hingegen bringt sie dazu, waghalsige Entscheidungen zu treffen und ich an ihrer Stelle hätte nicht anders gehandelt. Ich würde jede sich bietende Möglichkeit nutzen, um als Engel noch Zeit mit demjenigen zu verbringen, den ich liebe. Doch hat eine Beziehung zwischen Engel und Mensch eine Chance, auch in Anbetracht der Risiken? Ein Gesetz des Himmels untersagt die Verbindung dieser nämlich strengstens.

Vielleicht [...] kann man auch erst springen, wenn man weiß, dass man gar nicht mehr tiefer fallen kann.

Himmel und Hölle liegen manchmal gar nicht so weit auseinander, hier scheint er oftmals sogar gefährlicher, da man sich von dem Schein blenden lässt. Darius untermauert dieses Bild, denn er ist charmant und gewinnend, trotzdem kann man ihm nicht über den Weg trauen. Doch inwieweit steckt er hinter dem ungewissen Verbleib von Jades Vater? War der Wissenschaftler so von seinem Drang nach Erfolg geprägt, dass er einen Handel mit dem Teufel eingegangen ist? Oder hat er etwas entdeckt, was der Himmel mit aller Macht geheim zu halten versucht? Jade mögen hier noch so viele Steine in den Weg gelegt werden, doch sie gibt nicht auf den Menschen zu finden, den sie einst verloren hat. 

Luzifer, allein der Name und das, mit dem er in Verbindung steht und gebracht wird, bescheren einem eine Gänsehaut. Hier ist er allerdings weniger von Boshaftigkeit als durch List geprägt. Jade will Antworten und muss sich dafür gegen ihn durchsetzen. Wer gewinnt war in Anbetracht der Umstände von vorne herein ersichtlich, doch dass Jades Prüfung einen ganz anderen Schwerpunkt hat, hätte ich nicht vermutet. Mit dem Schritt, den sie geht, beweist sie Selbstlosigkeit. 


Charaktere:

Jade nimmt nichts einfach so hin, hinterfragt alles und gibt erst Ruhe, wenn sie ein Rätsel gelöst hat. Das bringt ihr im Himmel die Bewunderung von jemandem ein, der nicht leicht zu beeindrucken ist und gleichzeitig erwächst sie für den Plan eines anderen zu einer Gefahrenquelle die mit himmlischer Einflussmacht manipuliert werden soll. Doch lässt sie sich davon wirklich blenden?

Caspar ist sanft und bestimmt zugleich. Für Jade riskiert er nicht nur mehr als einmal sein Leben, er würde es auch ohne zu zögern hergeben. Einen Schritt, denn sie nicht zulassen kann. Wird sie die, sich ihr bietende Möglichkeit nutzen, ihn vor seinen eigenen Entscheidungen zu schützen?


Schreibstil:

Anne-Marie Jungwirth übermittelt mit dieser Geschichte eine wichtige Botschaft, denn wenn man sich die Mühe gibt einen Menschen kennen zu lernen, stellt man oft fest, dass das, was ein Mensch ausstrahlt, selten im Einklang mit dem steht, was ihm im Innersten ausmacht. Mit anderen Worten, der erste Eindruck täuscht oftmals.

Die Einbindung von Himmel und Hölle hat mir sehr gut gefallen, besonders im Hinblick auf die Wissenschaft, die einen kleinen Stein ins Rollen gebracht hat, der zu einer Lawine ausgeartet ist. Ebenso eindrucksvoll, war das von der Autorin geschaffene Spiel Luzifers, denn über die Kreativität des Aufbaus, den bestehenden Figuren und ihren Aufgaben hinaus, lag in dem Spiel sogleich Ernsthaftigkeit, Ironie und Liebe im weiteren Sinne.

Die himmlische Ebene ist hier nicht so einfach gestrickt, wie man vielleicht denken mag. Schon allein die Gliederung der Toten in die Gebiete Protector, Matchmaker, Inspirer und Messenger, sowie den Aufgaben, die ihnen zu Teil werden, fand ich interessant. Hier hätte ich es schön gefunden, noch etwas mehr über die anderen Bereiche zu erfahren, denn eigentlich schien mir Jade nicht nur einer Sparte zugehörig. Sie hat die Grenzen überschritten und meines Erachtens die Hauptkerne aller in sich vereint.

Caspar ist ein toller Freund, der mir schnell ans Herz gewachsen ist. Er hat eine kesse Art und steht Jade in jeder "Lebens"-Lage zur Seite. Leider ist er mir in der Ausarbeitung zu flach geblieben. Seine Gefühle sind da, werden aber kaum belegt oder durch eine Entwicklung deutlich, hier ist es mehr ein zwischen den Zeilen lesen und interpretieren. Dies mag unter anderem auch daran liegen, dass wir die gesamte Handlung ausschließlich aus Jades Perspektive betrachten.

Das Ende war ein Happy End und gleichzeitig auch keins, weswegen ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf das Geschehen blicke. So gut ausgearbeitet der Verlauf des Buches war, so enttäuscht war ich vom Ende. Es beläuft sich auf wenige Seiten, die einer Art Aufzählung gleichen, wodurch bei mir das Gefühl entstanden ist, die Geschichte schnell zu Ende bringen zu wollen und die offenen Fragen zu klären und selbst das ist leider nicht vollends gelungen.

Nichts desto trotz, hat die Autorin großen Einfallsreichtum bewiesen und diesen auch sehr gut umgesetzt. Diese Geschichte vereint Elemente, die ich noch nie zuvor gelesen habe und hat mit Jade einen Charakter hervorgebracht, der mir noch länger im Gedächtnis bleiben wird. Trotz meiner Kritikpunkte bin ich gespannt auf - hoffentlich - weitere Werke der Autorin, denn ein Buch mit seinen Gedanken zu füllen und eine eigene Welt zu kreieren, muss man erst einmal nachmachen. Ein großes Talent, das mir unterhaltsame Lesestunden geschenkt hat. 


Bewertung:




Zur Autorin:

Anne-Marie Jungwirth, Jahrgang 1978, ist studierte Betriebswirtin und im Finanzbereich tätig. Den Zahlen gehört ihr Kopf, dem Schreiben ihr Herz. Ihre Leibspeise sind romantisch-fantastische Jugendbücher. Mit einer ihrer Kurzgeschichten konnte sie jüngst den Literaturwettbewerb der Mitteldeutschen Buchmesse gewinnen. Die Autorin lebt mit Mann und Sohn in ihrer Wahlheimat Österreich.

- Carlsen -


Danke!

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